Er war 37, als er starb.
Hinterließ Ehefrau und drei Kinder.
Und ein Unternehmen mit zwei Dutzend Mitarbeitern.
Ein paar Tage lang hatte er über extrem starke Kopfschmerzen geklagt. Musste sich immer wieder hinlegen, die Räume wurden verdunkelt. Auch die Ärzte wussten nicht weiter.
Dann war er tot.
Mein Vater.
Als ich von der Schule nach Hause kam.
An diesem Montag vor 50 Jahren.
In diesem Artikel lesen Sie
Dass ein halbes Jahrhundert vergangen ist, lässt die Bilder in meinem Kopf nur wenig verblassen
Zeit ist für sie kein Begriff, sie liegen in den Erinnerungsregalen meines Gehirns weit vorne.
Griffbereit.
Abrufbar.
Genauso wie die verzweifelte Ahnungslosigkeit des 13jährigen, der ich damals war.
Was um Himmels willen anfangen mit diesem Geschehen?
Mit dieser schwer verwundeten Familie?
Diesem Jungen, der gerade aufbrechen wollte, ein Mann zu werden?
Ihm fehlte nicht nur von einer Sekunde auf die andere die bis dahin empfundene Sicherheit und Orientierung.
Vielmehr war das Chaos überwältigend, das dieser Tsunami an familiärem Schmerz auslöste.
Solche Erinnerungen und Gefühle brechen sich Bahn
Genau JETZT, wenn ich die umgekehrte Geschichte lese:
Über den Unternehmer J.R. Storment, der einen seiner 8-jährigen Zwillingssöhne verloren hat und zu spät erkennt, dass er weniger hätte arbeiten sollen. Der auf LinkedIn erzählt, wie das seine Karriere abrupt zum Stillstand brachte – und was er seither bereut.
# Dass er in den Jahren, in denen er mit anderen seine Firma aufbaute, nie mehr als eine Woche am Stück frei nahm.
# Dass er seinen Sohn Wiley am Abend vor dessen Tod schimpfte.
# Dass er oft keine Zeit für ihn hatte.
Der Unternehmer erkennt:
„Arbeit benötigt eine Balance, die ich selten gelebt habe. (…)
Umarmt eure Kinder.
Arbeitet nicht so lang.
Ich nehme an, in euren Kalendern stehen Vieraugengespräche mit vielen Menschen, mit denen ihr arbeitet. Aber verabredet ihr solche Termine auch regelmäßig mit euren Kindern?“
Oh Mann!
Bestimmt wäre Wiley auch gerne öfter mit seinem Vater zum angeln gegangen, so wie ich, als ich acht Jahre alt war. Oder zwölf.
Bestimmt hätte auch Wiley gerne häufiger mit ihm Karten gespielt. Fußball. Tipp-Kick.
Er wäre garantiert auch öfter als einmal mit seinem Vater im Kino gewesen…
Wenn der Vater stirbt
„Und wenn der Vater stirbt, dann steht dort keiner mehr, dann ist man selber dran.“
Ein Gedanke von Tiziano Terzani, Schriftsteller und viele Jahre SPIEGEL-Korrespondent. Zu finden in seinem letzten Buch „Das Ende ist mein Anfang“.
„Vielleicht geschieht im Tod ja etwas Ähnliches wie im Schlaf. Oder vielleicht auch nichts“, sinniert der sein Sterben erwartende Mann. Er jedenfalls gehe zu der Verabredung mit dem Tod „mit innerer Ruhe und leichtem Herzen, so leicht wie nie zuvor“.
Was ist das, das alles zusammenhält?
Was ist das eigentlich?
Terzani nennt es „pure menschliche Neugier“, die das wissen will.
Eine Neugier, die er teile.
Gewöhnlich empfinde man sie, wenn der Vater stirbt:
„Mein Gefühl damals, das weiß ich noch genau, war, dass nun ich in der ersten Reihe stand. Weißt du, im Krieg hast du immer jemanden vor dir, es gibt eine erste Reihe, wie den vordersten Schützengrabe im Ersten Weltkrieg. Und wenn der Vater stirbt, dann steht dort keiner mehr, dann ist man selber dran.“
(Tiziano Terzani, Das Ende ist mein Anfang)
Genau!
Genau SO ist es!
Wenn der Vater stirbt, dann steht dort keiner mehr
Ich war selber dran, auf eine unbestimmte Art war ICH jetzt dran, auch wenn ich noch ein Kind war. Und da trägt niemand schuld, da kann keiner was dafür, die Familie um mich herum schon gar nicht.
Vielleicht hat es mit Bestimmung zu tun.
Das Wichtigste ist, nicht im Opfer-Sein stecken zu bleiben.
Auch wenn es dauern kann mit der Transformation.
Weniger arbeiten. Ausgewogener leben.
Heute – als Ü-60-Mann – kann ich sehen, wie sehr mich der frühe Tod meines Vaters geprägt hat:
„Zeit für Familie“ steht seit langem auf einem der vier großen Steine, die ich alljährlich rituell kurz vorm Jahreswechsel in die symbolische Wanne für das neue Jahr lege.
Auf einen zweiten großen Stein schreibe ich „Zeit für Liebe“.
Seit drei Jahren gehört der dritte Stein der „Zeit für Gesundheit“.
Der vierte ist dem jeweils aktuellen Thema vorbehalten.
Natürlich, als die Kinder noch klein waren und die ökonomische Verantwortlichkeit noch eine ganz andere, da war das eine ungleich größere Herausforderung.
Heute habe ich das Rentenalter in Sicht und die Großvater-Energie weit vorne, da lässt sich vieles anders betrachten. Und anders angehen. Weniger zu arbeiten, wird einfacher.
Was für ein Geschenk.
Dennoch: Wach sein und gut aufpassen, dass ich meine Kraft und meine Zeit ausgewogen verteile, das gilt noch immer für jeden einzelnen meiner Tage.
Kluges Planen ist Pflicht und Kür in einem.
Es gelingt mal besser, mal schlechter. Und wahrscheinlich wird das auch bis zu meinem letzten Atemzug so sein.
„Je mehr meine Freiheit wächst, desto mehr bin ich gefordert. Weil ich das nicht kenne.“ Hat kürzlich eine Kollegin gesagt, die sich von viel Materie und von noch mehr Aufgaben gelöst hat.
Das trifft es punktgenau. Mir wurde klar, womit sich mein Verstand bestens auskennt, nämlich: „Wir arbeiten hart, und das viel und lange“ – für diesen Verstand ist Freiheit … eine Bedrohung.
Und:
Bewusst in Balance zu leben – weniger zu arbeiten, Zeiten für Beruf und Familie ausgewogen zu gestalten – ist ein Ausdruck von Freiheit.
„Umarmt eure Kinder. Arbeitet nicht so lang.“
Ich schicke ihm mein Mitgefühl, dem trauernden Vater J.R. Storment.
„Arbeit benötigt eine Balance, die ich selten gelebt habe. (…)“
Ich weiß, wie herausfordernd es sein kann, ein Gefühl für diese Balance zu finden.
So dass alle Lebensbereiche ihren Platz finden.
Auch das Engagement für den Beruf und das Gelingen einer Selbständigkeit.
Hier habe ich für Sie Impulse zusammengestellt, wie Sie sich mehr Zeit – z.B. für Ihre Familie – organisieren können: https://lust-auf-wachstum.de/mehr-zeit-selbststaendigkeit
Meine Bitte an Sie:
Denken Sie – rechtzeitig! – daran, dass Sie diese Herausforderung nicht alleine meistern müssen. Ein (lebens-) erfahrener Begleiter in bestimmten Fragen und Phasen macht vieles so viel leichter und einfacher!
Reden wir darüber: 033841/42026.
-> weiterlesen: Coaching
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Einen bemerkenswerten TED Talk übers Sterben und Umgang mit Trauer (auf Englisch) finden Sie mit einem Klick auf den Vortragstitel.
„Übergänge und Verlusterfahrungen, Sterben und Trauern sind natürliche Anteile unseres Lebens“, schreiben die Macherinnen des Festivals „Leben-Sterben-Feiern“. Es ist eine feine Gelegenheit für einander begegnen, Formen des lebendigen und schöpferischen Umgangs mit dem Mysterium Sterben miteinander zu teilen und dies als unser menschliches Kulturgut weiter zu entwickeln: „Leben-Sterben-Feiern“
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